Artikel zum Thema ‘Zustimmung zum Vatlerschaftstest’
Es gibt keinen vollumfassenden Anspruch auf Aufklärung der Abstammung
Die Vorschriften zur Abstammung nach dem deutschen Recht finden sich in §§ 1591 ff BGB.
Gemäß § 1591 BGB ist die Mutter eines Menschen, diejenige Person, die diesen Menschen zur Welt gebracht hat. Der Vater ist gemäß § 1592 BGB derjenige, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, die Vaterschaft anerkennt oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird. Zur gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft kann eine genetische Untersuchung (DNA-Test) vorgenommen werden. Gemäß § 1598a BGB steht den Mitgliedern einer rechtlichen Familie jeweils gegen die anderen Familienmitglieder ein Anspruch auf Einwilligung in eine solche Untersuchung zu. Dieser Anspruch kann dagegen nicht gegenüber Personen außerhalb der rechtlichen Familie geltend gemacht werden.
Verfassungsbeschwerde erhoben hatte eine Frau, die 1950 als unehelich geboren wurde und vermutete, dass ein ihr bekannter Mann ihr Vater ist. Der Mann verweigerte die Teilnahme an einem DNA-Test und hatte vor Gericht damit Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied, dass § 1598a BGB nicht auf Personen außerhalb der rechtlichen Familie erstreckt werden könne. Zwar sei das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung grundrechtlich in Art. 2 Grundgesetz geschützt, dieses müsse allerdings mit den Grundrechten des mutmaßlichen Vaters in Ausgleich gebracht werden. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die den Rechten des Kindes den Vorrang einräume, erkannte das Gericht nicht.
Im Wesentlichen stützte das BVerfG seine Entscheidung auf das Recht des mutmaßlichen Vaters auf Achtung der Privat- und Intimsphäre (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG), auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) sowie auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Auch seien die möglichen Konsequenzen auf die bestehende rechtliche Familie zu beachten, sollte sich herausstellen, dass der in Anspruch genommene Vater tatsächlich der leibliche Vater sei. Im Übrigen bestehe die Gefahr, dass ein Anspruch, der faktisch gegenüber jedermann geltend gemacht werden könne, also faktisch ‚ins Blaue hinein‘, eine nicht überschaubare Streubreite entfalte, die nicht gewünscht sei.
Das BVerfG stellte gleichzeitig klar, dass es dem Gesetzgeber nichtsdestotrotz freistehe, einen derartigen Anspruch zu schaffen.
(Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR3309/13)