Artikel zum Thema ‘Hauptverhandlung’

Rechtsanwältin Rudolf berichtet über den 38.Strafverteidigertag in Dresden vom 21.-23.03.14

Wie immer war es eine spannende und lehrreiche Veranstaltung mit dem Titel „Hupen zwecklos, Fahrer träumt von Wahrheitsfindung, vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung“.

Neben Richtern vom Bundesgerichtshof und Vorsitzenden allgemeiner und Schwurgerichtskammern, Vertretern der Staatsanwaltschaften und Rechtsprofessoren waren Strafverteidiger aus dem gesamten Bundesgebiet vertreten, um in sieben Arbeitsgemeinschaften zu diskutieren, aber auch um am Schluss der Veranstaltung erarbeitete Ergebnisse in Resolutionen mehrheitlich zu verabschieden, von denen ich zwei vorstellen möchte:

I.Resolution zum Betäubungsmittelrecht

Die Prohibition und die repreessive Drogen(kriminal)politik-gepaart mit teileise exorbitanten Strafen-haben nicht zur Lösung der Suchtproblematik beigetragen. Ein -neuer-gesellschaftlicher Diskurs ist erforderlich, um die Grundlage für eine von Vernunft geprägte sowie entkriminalisierte Drogenpolitik zu schaffen.(bereits ein Ergebnis des 31.Strafverteidigertages 2007)

Seither mehren sich sehr deutlich Stimmen, die den bisherigen Ansatz „War on Drugs“ für gescheitert ansehen. Es gibt internationale Entwicklungen, die ganz offiziell eine Abkehr vom Prohibitionsansatz markieren.

In Deutschland hat sich dagegen -jedenfalls auf juristischem Gebiet- wenig bis gar nichts geändert. Immer noch verbringen schwerkranke Menschen wegen ihrer Krankheit viele Jahre in Haftanstalten. Immer noch werden berufliche Existenzen z.B wegen des Umgangs mit Cannabis zerstört, obwohl genau dieser Umgang inzwischen eine weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz erlangt zu haben scheint. Beiden-den Schwerkranken wie den Freizeitkonsumenten-wird das BtMG in keiner Weise gerecht.Vielmehr werden erhebliche Teile der Bevölkerung als Straftäter stigmatisiert, obwohl diese Personen nichts anderes machen, als sich in ihrer Freizeit zu entspannen und dabei nicht-oder nicht nur -auf die traditionellen Hilfsmittel zurückgreifen.

Nach wie vor enthält das BtMG Strafandrohungen, die ansonsten für Kapitalstraftaten reserviert sind-obwohl es sich auch dabei teilweise eher um Alltagsverhalten handelt. Dem Grundsatz, Strafrecht als“ultima ratio“ zu verstehen, entspricht das BtMG damit nicht einmal ansatzweise.

Gleichzeitig dürfen bestehende Probleme mit psychoaktiven Stoffen nicht verkannt werden. Das Abstinenzparadigma allerdings und die daraus abgeleitete Prohibition haben sich selbst in dieser Hinsicht nicht als probates Mittel erwiesen.

Wenn dann auch noch die Repressionsstrategie immense Summen für eine im Ergebnis wirkungslose Strafverfolgung verschlingt, gleichzeitig Mittel für Forschung und Hilfsprojekte drastisch gekürzt werden , so ist dies nicht länger akzeptabel.

Der Prohibitionsansatz ist deshalb aufzugeben. Er gehört aber mindestens auf den parlamentarischen Prüfstand. Es muss in absehbarer Zeit fundiert darüber diskutiert werden,welcher Reformbedarf besteht.

Dass Reformbedarf besteht , kann nicht mehr strittig sein. Ein bloßes „Weiter so!“darf es nicht geben.

Deshalb unterstützt der 38.Strafverteidigertag ausdrücklich-als einen notwendigen ersten Schritt-die Initiative von 120 deutschen Strafrechtsprofessoren, die die Einrichtung einer Enquete-Kommission gefordert hat, da sie die strafrechtliche Drogenprohibition als „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“ ansehen.

 

II.Resolution des 38.Strafverteidigertages zur Reform der Tötungsdelikte

1.Der Strafverteidigertag fordert die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Rationale Gründe, die dafür sprechen, gibt es nicht. Allein die niedrige Rückfallquote spricht dagegen, die lebenslange Freiheitsstrafe mit Aspekten negativer Spezialprävention zu begründen.

2.Unabhängig davon fordert der Strafverteidigertag im Rahmen der Reform der Tötungsdelikte bei einer Unterscheidung von minder schweren und besonders schweren Fällen eines Tötungsdeliktes die besonders schweren Fälle durch Regelbeispiele zu definieren. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers und darf nicht Richterrecht überlassen bleiben, wie vom DAV vorgeschlagen. Zu befürchten ist, dass die Rechtsprechung , wenn sie keine gesetzlichen Vorgaben erhält, an die bisherige Auslegung der Mordmerkmale anknüpfend Fallbeispiele bildet. Dies würde bestenfalls in der Sache zu einer Tradierung der in der Rechtsprechung zu den Mordmerkmalen existierenden Wertungen, was die Höchststrafe verdient, führen. Dann wäre das Anliegen der Reform, auch in der Sache zu einer rational begründbaren Entscheidung zu kommen, welche Tötungshandlungen als schwereres Unrecht zu werten sind, weitestgehend verfehlt.

3.In der dazu notwendigen gesellschaftlichen Diskussion dürfen die in der NS-Zeit eingeführten Mordmerkmale nicht unter dem Deckmantel anderer Begrifflichkeiten wieder eingeführt werden.

4. Der Strafverteidigertag fordert, dass ein besonders schwerer Fall auch bei Vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen nicht angenommen werden darf, wenn Ursache, Anlass und Umstände der Tat die besondere Missbilligung nicht rechtfertigen.

Angekündigtes Zuspätkommen – Gericht darf Berufung nicht verwerfen

Das Landgericht Bonn hat die Berufung eines Angeklagten mit der Folge der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichtes  mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei nicht erschienen. Das war im konkreten Fall nicht zulässig. Das Gericht hatte bereits 10 Minuten nach Beginn der Hauptverhandlung von dessen Verteidiger erfahren, dass der Angeklagte  auf dem Weg zur Verhandlung sei und in ungefähr einer halben Stunde eintreffen würde. Kurz vor dem Eintreffen des Angeklagten sprach das Landgericht das Urteil. Das Oberlandesgericht Köln hat darin zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gesehen. (OLG Köln, 5.2.13-III-1 RVs 12/13)

Haftbeschränkungen in der Untersuchungshaft setzen eine konkrete Gefährdung des Haftzwecks voraus

Gegen eine wegen Raubes beschuldigten Frau hat das Landgericht Köln die Untersuchungshaft wegen bestehender Fluchtgefahr angeordnet.Aus dem gleichen Grund hat das Gericht angeordnet, dass die Besuche, die Telekommunikation und der Schrift-und Paketverkehr der Gefangenen zu überwachen sind.
Das war nicht zulässig. Die Anordnung besonderer Überwachungsanordnungen
in der Untersuchungshaft erfordert über die angenommene Fluchtgefahr hinaus immer die konkrete Gefährdung des Haftzweckes. Es müssen demnach Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Gefangener etwa Außenkontakte zu Fluchtvorbereitungen nutzen könnte, eine Bandenstruktur zu vermuten oder Absprachen mit Zeugen für die Hauptverhandlung zu befürchten sind.
(OLG Köln Beschluss 28.12.12 2 Ws 896/12)