Artikel zum Thema ‘Blutalkoholkonzentration’
MPU nach strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt stets notwendig
Hat ein Strafgericht die Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen und beantragt der Betroffene die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, muss die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen. Eine solche Anordnung ist auch geboten, wenn die Blutalkoholkonzentration knapp unter 1,6 Promille lag und deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung bestanden, wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen. (VGH Baden-Württemberg, 7.7.2015, 10 S 116/15)
Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr
Wie der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung dargelegt hat, ist zwar die bei einem Angeklagten festgestellte Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen vorsätzlicher Tatbestandsverwirklichung. Doch auch bei hoher Blutalkoholkonzentration kann lediglich fahrlässiges Handeln in Betracht kommen, wenn im konkreten Fall zum Beispiel der Zeitraum der Alkoholaufnahme bereits länger zurückliegt oder aber Mixgetränke mit unbekanntem Alkoholanteil zu sich genommen wurden. Soweit solche Einlassungen eines Angeklagten vorliegen, hat sich der Tatrichter damit im Urteil auseinanderzusetzen. ( BGH 9.4.2015, 4 StR 401/14)
Über 3 Promille zur Tatzeit und dennoch voll schuldfähig !
Wie der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung vom 29.5.12 dargelegt hat, kommt der Blutalkoholkonzentration zur Beurteilung der Schuldfähigkeit um so geringere Bedeutung zu, je mehr andere aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen dem Gericht zur Verfügung stehen.
Im konktreten Fall hatte der vom Gericht beauftragte Sachverständige beim Angeklagten 3,03 Promille zur Tatzeit errechnet. Beim Angeklagten handelte es sich aber auch sonst um einen starken Trinker. So hatte er trotz des Genusses von täglich 3-7 Litern Bier sein Berufsleben ohne jede Einschränkung unter Kontrolle. Die von ihm verübte Tat zeichnete sich zudem durch planvolles und zielgerichtetes Handeln aus.Auch das Nachtatverhalten war von keinerlei Unregelmäßigkeiten begleitet.Da für die Beurteilung der Schuldfähigkeit die Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen, maßgeblich ist, weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf, wenn es im vorliegenden Fall trotz Vorliegen eines sehr hohen Alkoholspiegels von der uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist.
( BGH Beschluß vom 29.5.12 1 StR 59/12)