Artikel zum Thema ‘Angeklagter’

Der Nachweis eines Sozialbetruges erfordert eine genaue Berechnung des Schadens

Nach Ansicht des OLG Dresden muss ein Strafgericht bei einer Verurteilung wegen Sozialbetruges den Anspruch, welcher einem Angeklagten nach den für die Leistungsbewilligung geltenden Sozialvorschriften berechtigt zusteht, den tatsächlich erhaltenen Unterstützungszahlungen gegenüberstellen. Darüberhinaus seien nicht alle fortlaufenden Sozialbetrügereien gleich als gewerbsmäßig und damit als wesentlich  strenger zu bestrafen anzusehen. ( OLG Dresden, 25.04.14, 2 OLG 24 Ss 778/13)

Keine Falschbeurkundung im Amt, wenn TÜV-Prüfer falschen Untersuchungsbericht erstellt

Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte in seiner Funktion als TÜV-Sachverständiger Untersuchungsberichte erstellt,  in denen er an einem Fahrzeug keine oder nur geringe Mängel bescheinigte, wobei er jeweils damit rechnete, dass das Fahrzeug nicht verkehrssicher war.Der Angeklagte erteilte für das Fahrzeug  allerdings weder eine HU-Plakette noch brachte er eine solche am Fahrzeug an. Nachdem das Landgericht den Angeklagten wegen Falschbeurkundung im Amt verurteilt hatte, hat das Hanseatische Oberlandesgericht den Angeklagten freigesprochen, da es letztlich an der für diesen Straftatbestand erforderlichen falschen Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache fehle.(HansOLG Hamburg, 24.4.13, 1-78/12)

Untersuchungshaft als ultima ratio

Das Kammergericht Berlin hatte über eine Haftbeschwerde zu entscheiden, in der sich der Angeklagte gegen die gegen ihn vollzogene Untersuchungshaft gewehrt hat. Im Ergebnis konnte der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, da der auch vom Kammergericht angenommenen Fluchtgefahr durch die Erteilung von Auflagen begegnet werden konnte. Diese reichten aus,  um die Sicherung des Verfahrens und damit auch den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen. Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung bekräftigt, dass Untersuchungshaft nur dann auch vollzogen werden darf, wenn dies wegen überwiegender Belange des Gemeinwohls zwingend geboten ist.( Kammergericht, 7.3.13-4 Ws 35/13)

Kein vollendeter Ladendiebstahl in einem Supermarkt beim Einstecken der Ware in Tüten

Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte in einem Supermarkt sechs Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten gesteckt, um sie zu stehlen. Er wollte zusammen mit seinem regulär vorgenommenen Einkauf die Kasse passieren, ohne dass die Kassierein auf die Flaschen in den Tüten aufmerksam wird. Als der Angeklagte bemerkte, dass er beim Einstecken der Flaschen in die Tüten beobachtet wurde, hat er diese in der Obstabteilung des Marktes abgestellt und ist davongelaufen. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten deshalb unter anderem wegen vollendeten Diebstahls zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Revision der Verteidigung hatte insoweit Erfolg, als der Bundesgerichtshof feststellte, dass ein vollendeter Diebstahl nicht vorgelegen hat. Der Angeklagte kann deshalb nur wegen versuchten Diebstahls belangt werden.( BGH 18.06.13, 2 StR 145/13)

Ersatzverteidigung vom BGH wie fehlende Verteidigung gewertet.

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts  Kassel aufgehoben, das einen Angeklagten verurteilt hatte, obwohl dessen Pflichtverteidiger an einem Hauptverhandlungstag plötzlich erkrankt war. Das Landgericht hatte ihm für diesen Tag, insbesondere für die Vernehmung eines Auslandszeugen einen neuen Pflichtverteidiger beigeordnet , der sich nicht ausreichend auf die Zeugenbefragung hatte vorbeiten können. Das war verfahrensfehlerhaft. Durch die Beiordnung eines neuen Verteidigers sei der Angeklagte nicht sachgerecht und angemessen verteidigt gewesen. Das Landgericht hätte im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die Hauptverhandlung  unterbrechen und den Auslandszeugen zu einem späteren Termin erneut  laden müssen,zu dem der bisherige Verteidiger hätte wieder erscheinen können.(BGH 20.06.13, 2 StR 113/13)

BGH bestätigt Freiheitsstrafe wegen Werbens um Mitglieder für Al Qaida

Der Angeklagte hatte u.a. in 39 Fällen in Internetveröffentlichungen dafür geworben, sich am gewaltsamen Jihad von Al Qaida zu beteiligen. Er befürwortete die gewaltsame Durchsetzung des Islam weltweit und hat insbesondere auch in Deutschland zu Anschlägen wie dem des 11. September 2001 aufgerufen. Dafür hat das Gericht gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und vier Monaten verhängt.( BGH 22.08.13, 3 StR 244/13)

Oberlandesgericht stärkt Nothilferecht

Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung mit Beschimpfungen schlug der später Geschädigte einem Bekannten des Angeklagten mit der Faust ins Gesicht. Der Angeklagte wollte seinem Bekannten zu Hilfe kommen und schlug dem Geschädigten seinen Bierkrug auf den Kopf, so dass der eine Gehirnerschütterung, ein Hämatom und eine Platzwunde davontrug. Das Gericht hat den Angeklagten freigesprochen. Die gefährliche Körperverletzung sei gerechtfertigt gewesen. Der Schlag mit dem Bierkrug auf den Kopf des Geschädigten habe die sofortige und endgültige Beendigung des Angriffs auf den Bekannten des Angeklagten erwarten lassen. Der musste sich in seinem Nothilferecht nicht darauf beschränken,  lediglich mit der Faust zuzuschlagen.( OLG Hamm 15.07.13, 1 RVs 38/13)

 

 

Fahrer eines Feuerwehrfahrzeugs wegen fahrlässiger Tötung rechtskräftig verurteilt

Der Bundesgerichtshof hat jetzt ein Urteil des Landgerichts Hamburg bestätigt, das den Fahrer eines Einsatzwagens der Feuerwehr zu einer Freiheitssstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt hatte. Der Angeklagte war bei eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn trotz Rotlicht anzeigender Verkehrsampel mit unverminderter Geschwindigkeit auf einen Kreuzungsbereich zugefahren und dort mit einem Linienbus kollidiert. Bei dem Verkehrsunfall wurden zwei Fahrgäste des Linienbusses getötet und zahlreiche weitere Businsassen sowie vier Feuerwehrleute zum Teil schwer verletzt.( BGH Beschluss 16.7.13, 4 StR 66/13))

Angekündigtes Zuspätkommen – Gericht darf Berufung nicht verwerfen

Das Landgericht Bonn hat die Berufung eines Angeklagten mit der Folge der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichtes  mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei nicht erschienen. Das war im konkreten Fall nicht zulässig. Das Gericht hatte bereits 10 Minuten nach Beginn der Hauptverhandlung von dessen Verteidiger erfahren, dass der Angeklagte  auf dem Weg zur Verhandlung sei und in ungefähr einer halben Stunde eintreffen würde. Kurz vor dem Eintreffen des Angeklagten sprach das Landgericht das Urteil. Das Oberlandesgericht Köln hat darin zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gesehen. (OLG Köln, 5.2.13-III-1 RVs 12/13)

Besonders schwerer Raub in Mittäterschaft auch ohne eigene Verletzungshandlung

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Kiel in Teilen aufgehoben, in dem das Landgericht vier Angeklagte wegen Raubes verurteilt hat. In einem neuen Verfahren wird zu klären sein, ob nicht auch eine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes mit der Folge einer deutlich höheren Straferwartung in Betracht kommt.

Die vier Angeklagten hatten sich vorgestellt, einen Mann in dessen Wohnung zu überfallen und auszurauben. Sie sind dabei davon ausgegangen, dass das spätere Opfer sich bereits angesichts ihrer Überzahl nicht weiter zur Wehr setzten wird. Die Anwendung schwerer Gewalt war nicht geplant. Der Geschädigte setzte sich aber heftig gegen zwei der Angeklagten zur Wehr, während die anderen beiden Angeklagten in der Wohnung nach Beute suchten. Einer der beiden Angeklagten trat so stark zu, dass es beim Opfer zu einem Trümmerbruch im Knie kam. Der Geschädigte schrie vor Schmerzen. Das Landgericht konnte in der Hauptverhandlung nicht feststellen, wer den Geschädigften getreten hat und hat deshalb alle vier „nur“ wegen Raubes verurteilt. Der Bundesgerichtshof stellt jetzt klar, dass auch während der Tatausführung eine Vorsatzerweiterung hinsichtlich des ursprünglichen Tatplans in Betracht kommt, es also nicht auszuschließen ist, dass alle vier Angeklagten sich während der Tatausführung mit der schweren Gewaltanwendung einer der Mittäters stillschweigend einverstanden erlärt haben und deshalb alle vier wegen besonders schweren Raubes zu verturteilen sein könnten. ( BGH 5 StR 575/12)