Archive for the ‘Strafrecht’ Category

Keine“Störung öffentlicher Betriebe“ beim Zuparken einer Geschwindigkeitsmessanlage

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich ein verärgerter Kraftfahrer nicht strafbar gemacht hat, als er seinen Kastenwagen direkt vor einem Messsensor geparkt hat. Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes sei eine Einwirkung auf die Sachsubstanz, so dass eine Verurteilung wegen der Störung öffentlicher Betriebe nicht in Betracht kam. ( BGH 15.05.13 1 StR 469/12)

Untersuchungshaft als ultima ratio

Das Kammergericht Berlin hatte über eine Haftbeschwerde zu entscheiden, in der sich der Angeklagte gegen die gegen ihn vollzogene Untersuchungshaft gewehrt hat. Im Ergebnis konnte der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, da der auch vom Kammergericht angenommenen Fluchtgefahr durch die Erteilung von Auflagen begegnet werden konnte. Diese reichten aus,  um die Sicherung des Verfahrens und damit auch den Zweck der Untersuchungshaft zu erreichen. Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung bekräftigt, dass Untersuchungshaft nur dann auch vollzogen werden darf, wenn dies wegen überwiegender Belange des Gemeinwohls zwingend geboten ist.( Kammergericht, 7.3.13-4 Ws 35/13)

Unverhältnismäßige körperliche Durchsuchung eines Strafgefangenen

Das Bundesverfassungsgericht hat die körperliche Durchsuchung einschließlich der Entkleidung eines Strafgefangenen nach dessen Rückkehr von einem Aufenthalt außerhalb der Haftanstalt als unverhältnismäßig angesehen. Im konkreten Fall lag die Gefahr des Einschmuggelns verbotener Gegenstände oder Substanzen in die Strafanstalt fern, so dass das Gericht einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Inhaftierten feststellte. Routinemäßigen Durchsuchungen einschließlich der Inspektion normalerweise verdeckter Körperöffnungen hat das Gericht damit eine Absage erteilt.( BVerfG 10.07.13- 2 BvR 2815/11)

Der offene Vollzug ist ein Berliner Erfolgsmodell

Nach der Kritik der Vereinigung Berliner Staatsanwälte an der Handhabung des offenen Vollzuges im letzten Jahr hat die Senatsverwaltung eine Studie über die Berliner Einweisungspraxis in den offenen Vollzug in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Die Kritiker des „Knast light“ werden eines Besseren belehrt.

Im Schnitt verbüßen ca.30% der Berliner Häftlinge ihre Freiheitsstrafe im offenen Vollzug. Die Missbrauchsquote von Vollzugslockerungen wie Urlaub oder Familienbesuchen liegt bei 0,07%. In den Jahren 2005 bis 2012 waren insgesamt 9345 Gefangene im offenen Vollzug. Es gab lediglich 20 Ermittlungsverfahren, von denen es in 9 Fällen auch zu einer Verurteilung kam. Sieben Verurteilungen wurden wegen Drogendelikten, eine wegen Hehlerei und eine wegen Totschlags nach massivem Alkoholkonsum ausgesprochen.

Kein vollendeter Ladendiebstahl in einem Supermarkt beim Einstecken der Ware in Tüten

Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte in einem Supermarkt sechs Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten gesteckt, um sie zu stehlen. Er wollte zusammen mit seinem regulär vorgenommenen Einkauf die Kasse passieren, ohne dass die Kassierein auf die Flaschen in den Tüten aufmerksam wird. Als der Angeklagte bemerkte, dass er beim Einstecken der Flaschen in die Tüten beobachtet wurde, hat er diese in der Obstabteilung des Marktes abgestellt und ist davongelaufen. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten deshalb unter anderem wegen vollendeten Diebstahls zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Die gegen das Urteil eingelegte Revision der Verteidigung hatte insoweit Erfolg, als der Bundesgerichtshof feststellte, dass ein vollendeter Diebstahl nicht vorgelegen hat. Der Angeklagte kann deshalb nur wegen versuchten Diebstahls belangt werden.( BGH 18.06.13, 2 StR 145/13)

Ersatzverteidigung vom BGH wie fehlende Verteidigung gewertet.

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts  Kassel aufgehoben, das einen Angeklagten verurteilt hatte, obwohl dessen Pflichtverteidiger an einem Hauptverhandlungstag plötzlich erkrankt war. Das Landgericht hatte ihm für diesen Tag, insbesondere für die Vernehmung eines Auslandszeugen einen neuen Pflichtverteidiger beigeordnet , der sich nicht ausreichend auf die Zeugenbefragung hatte vorbeiten können. Das war verfahrensfehlerhaft. Durch die Beiordnung eines neuen Verteidigers sei der Angeklagte nicht sachgerecht und angemessen verteidigt gewesen. Das Landgericht hätte im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die Hauptverhandlung  unterbrechen und den Auslandszeugen zu einem späteren Termin erneut  laden müssen,zu dem der bisherige Verteidiger hätte wieder erscheinen können.(BGH 20.06.13, 2 StR 113/13)

BGH bestätigt Freiheitsstrafe wegen Werbens um Mitglieder für Al Qaida

Der Angeklagte hatte u.a. in 39 Fällen in Internetveröffentlichungen dafür geworben, sich am gewaltsamen Jihad von Al Qaida zu beteiligen. Er befürwortete die gewaltsame Durchsetzung des Islam weltweit und hat insbesondere auch in Deutschland zu Anschlägen wie dem des 11. September 2001 aufgerufen. Dafür hat das Gericht gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und vier Monaten verhängt.( BGH 22.08.13, 3 StR 244/13)

Urteil wegen volksverhetzenden Wahlwerbespots der NPD rechtskräftig

Das Urteil des Landgerichts Berlin gegen den ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden und den früheren Landesvorsitzenden der NPD Berlin wegen Volksverhetzung zu 10 bzw. 8 Monaten Freiheitstrafe ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der beiden Angeklagten verworfen. Den beiden Angeklagten war vorgeworfen worden, in einem Wahlwerbespot in Berlin lebenden Ausländern pauschal kriminelle Neigungen unterstellt und sie für alle in Berlin begangenen Straftaten verantwortlich gemacht zu haben. ( BGH 08.08.13- 5 StR  285/13)

Oberlandesgericht stärkt Nothilferecht

Nach einer zunächst verbalen Auseinandersetzung mit Beschimpfungen schlug der später Geschädigte einem Bekannten des Angeklagten mit der Faust ins Gesicht. Der Angeklagte wollte seinem Bekannten zu Hilfe kommen und schlug dem Geschädigten seinen Bierkrug auf den Kopf, so dass der eine Gehirnerschütterung, ein Hämatom und eine Platzwunde davontrug. Das Gericht hat den Angeklagten freigesprochen. Die gefährliche Körperverletzung sei gerechtfertigt gewesen. Der Schlag mit dem Bierkrug auf den Kopf des Geschädigten habe die sofortige und endgültige Beendigung des Angriffs auf den Bekannten des Angeklagten erwarten lassen. Der musste sich in seinem Nothilferecht nicht darauf beschränken,  lediglich mit der Faust zuzuschlagen.( OLG Hamm 15.07.13, 1 RVs 38/13)

 

 

Rechtswidrige Akteneinsicht für angeblich Geschädigten

Im konkreten Fall hatte sich in einem Ermittlungsverfahren ein Vertreter eines angeblich Geschädigten gemeldet und um Akteneinsicht gebeten. Diesem Antrag war die Staatsanwaltschaft nachgekonmmen ohne dem Beschuldigten davor rechtliches Gehör zu gewähren. Das war rechtswidrig. Einem Geschädigten in einem Strafverfahren ist zur sachgerechten Interessenwahrnehmung Akteneinsicht zu gewähren. Da aberdie Akteneinsicht an den angeblich Geschädigten auch schutzwürdige Belange des Beschuldigten berühren können, muss diesem in der Regel zunächst rechtliches Gehör gewährt werden. ( AG Zwickau 13 Gs 263/13)