Archive for the ‘Strafrecht’ Category

Unfall mit 0,65 Promille nicht zwingend strafbar

Alleine die Feststellung von 0,65 Promille im Blut nach einem verschuldeten Unfall genügt nicht, um daraus den Schluss ziehen zu können, ein Angeklagter sei einer Trunkenheitsfahrt schuldig. Da der Angeklagte darüberhinaus im konkreten Fall weder von den zum Unfallort gerufenen Polizeibeamten noch vom Arzt als merklich alkoholisiert beschrieben wurde, kann es nach Ansicht der Richter durchaus auch andere Ursachen für den Fahrfehler des Angeklagten gegeben haben als dessen Alkoholisierung.(OLG Schleswig 14.01.14, 1 Ss 152/13)

Fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr

Das Kammergericht hat ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben, das eine Angeklagte wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 30.-EUR verurteilt hatte. Die Geschädigte in diesem Verfahren erlitt eine Ellenbogenprellung ohne weitere Folgen und ohne Behandlungsbedarf mit leichten Schmerzen. Das genügt nach Ansicht der Richter nicht, um eineVerurteilung zu stützen. Vielmehr seien eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit erforderlich. (KG 17.12.13, 121 Ss 240/13)

Rechtsanwältin Rudolf berichtet über den 38.Strafverteidigertag in Dresden vom 21.-23.03.14

Wie immer war es eine spannende und lehrreiche Veranstaltung mit dem Titel „Hupen zwecklos, Fahrer träumt von Wahrheitsfindung, vom Bedeutungsverlust der Hauptverhandlung“.

Neben Richtern vom Bundesgerichtshof und Vorsitzenden allgemeiner und Schwurgerichtskammern, Vertretern der Staatsanwaltschaften und Rechtsprofessoren waren Strafverteidiger aus dem gesamten Bundesgebiet vertreten, um in sieben Arbeitsgemeinschaften zu diskutieren, aber auch um am Schluss der Veranstaltung erarbeitete Ergebnisse in Resolutionen mehrheitlich zu verabschieden, von denen ich zwei vorstellen möchte:

I.Resolution zum Betäubungsmittelrecht

Die Prohibition und die repreessive Drogen(kriminal)politik-gepaart mit teileise exorbitanten Strafen-haben nicht zur Lösung der Suchtproblematik beigetragen. Ein -neuer-gesellschaftlicher Diskurs ist erforderlich, um die Grundlage für eine von Vernunft geprägte sowie entkriminalisierte Drogenpolitik zu schaffen.(bereits ein Ergebnis des 31.Strafverteidigertages 2007)

Seither mehren sich sehr deutlich Stimmen, die den bisherigen Ansatz „War on Drugs“ für gescheitert ansehen. Es gibt internationale Entwicklungen, die ganz offiziell eine Abkehr vom Prohibitionsansatz markieren.

In Deutschland hat sich dagegen -jedenfalls auf juristischem Gebiet- wenig bis gar nichts geändert. Immer noch verbringen schwerkranke Menschen wegen ihrer Krankheit viele Jahre in Haftanstalten. Immer noch werden berufliche Existenzen z.B wegen des Umgangs mit Cannabis zerstört, obwohl genau dieser Umgang inzwischen eine weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz erlangt zu haben scheint. Beiden-den Schwerkranken wie den Freizeitkonsumenten-wird das BtMG in keiner Weise gerecht.Vielmehr werden erhebliche Teile der Bevölkerung als Straftäter stigmatisiert, obwohl diese Personen nichts anderes machen, als sich in ihrer Freizeit zu entspannen und dabei nicht-oder nicht nur -auf die traditionellen Hilfsmittel zurückgreifen.

Nach wie vor enthält das BtMG Strafandrohungen, die ansonsten für Kapitalstraftaten reserviert sind-obwohl es sich auch dabei teilweise eher um Alltagsverhalten handelt. Dem Grundsatz, Strafrecht als“ultima ratio“ zu verstehen, entspricht das BtMG damit nicht einmal ansatzweise.

Gleichzeitig dürfen bestehende Probleme mit psychoaktiven Stoffen nicht verkannt werden. Das Abstinenzparadigma allerdings und die daraus abgeleitete Prohibition haben sich selbst in dieser Hinsicht nicht als probates Mittel erwiesen.

Wenn dann auch noch die Repressionsstrategie immense Summen für eine im Ergebnis wirkungslose Strafverfolgung verschlingt, gleichzeitig Mittel für Forschung und Hilfsprojekte drastisch gekürzt werden , so ist dies nicht länger akzeptabel.

Der Prohibitionsansatz ist deshalb aufzugeben. Er gehört aber mindestens auf den parlamentarischen Prüfstand. Es muss in absehbarer Zeit fundiert darüber diskutiert werden,welcher Reformbedarf besteht.

Dass Reformbedarf besteht , kann nicht mehr strittig sein. Ein bloßes „Weiter so!“darf es nicht geben.

Deshalb unterstützt der 38.Strafverteidigertag ausdrücklich-als einen notwendigen ersten Schritt-die Initiative von 120 deutschen Strafrechtsprofessoren, die die Einrichtung einer Enquete-Kommission gefordert hat, da sie die strafrechtliche Drogenprohibition als „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“ ansehen.

 

II.Resolution des 38.Strafverteidigertages zur Reform der Tötungsdelikte

1.Der Strafverteidigertag fordert die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Rationale Gründe, die dafür sprechen, gibt es nicht. Allein die niedrige Rückfallquote spricht dagegen, die lebenslange Freiheitsstrafe mit Aspekten negativer Spezialprävention zu begründen.

2.Unabhängig davon fordert der Strafverteidigertag im Rahmen der Reform der Tötungsdelikte bei einer Unterscheidung von minder schweren und besonders schweren Fällen eines Tötungsdeliktes die besonders schweren Fälle durch Regelbeispiele zu definieren. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers und darf nicht Richterrecht überlassen bleiben, wie vom DAV vorgeschlagen. Zu befürchten ist, dass die Rechtsprechung , wenn sie keine gesetzlichen Vorgaben erhält, an die bisherige Auslegung der Mordmerkmale anknüpfend Fallbeispiele bildet. Dies würde bestenfalls in der Sache zu einer Tradierung der in der Rechtsprechung zu den Mordmerkmalen existierenden Wertungen, was die Höchststrafe verdient, führen. Dann wäre das Anliegen der Reform, auch in der Sache zu einer rational begründbaren Entscheidung zu kommen, welche Tötungshandlungen als schwereres Unrecht zu werten sind, weitestgehend verfehlt.

3.In der dazu notwendigen gesellschaftlichen Diskussion dürfen die in der NS-Zeit eingeführten Mordmerkmale nicht unter dem Deckmantel anderer Begrifflichkeiten wieder eingeführt werden.

4. Der Strafverteidigertag fordert, dass ein besonders schwerer Fall auch bei Vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen nicht angenommen werden darf, wenn Ursache, Anlass und Umstände der Tat die besondere Missbilligung nicht rechtfertigen.

Rechtskräftige Verurteilung eines Schöheitschirurgen wegen Körperverletzung mit Todesfolge

Der angeklagte Schönheitschirurg hatte an einer Patientin in seiner Praxis ohne die notwendige Hinzuziehung eines Anästhesisten eine  Operation durchgeführt, an deren Folgen die Patientin verstorben ist. Zudem war die Aufklärung unzureichend. Das in dieser Sache inzwischen dritte ergangene Urteil, das den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und sechs Monaten verurteilt, ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision dagegen als unbegründet verworfen hat.(BGH 5 StR 51/14, 10.03.14)

Verkauf von hochprozentigem Alkohol an Jugendliche mit Freiheitsstrafe geahndet

Das Landgericht Detmold hat einen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, nachdem er hochprozentigen Alkohol an eine Minderjährige verkauft hatte.  Die Minderjährige betrank sich damit und erlitt eine Alkoholvergiftung. ( LG Detmold 4 Ns 162 /13, 28.08.13)

Falsche Unterschrift auf elektronischem Lesegerät-keine Urkundenfälschung

Anders als das zunächst mit dem Problem befasste Amts-und Landgericht hat das OLG Köln eine Urkundenfälschung bei einem Angeklagten verneint, der als Kurierfahrer Pakete entsorgt hatte. Damit diese beim Empfänger als zugestellt gelten, hat er mit dem jeweiligen Namen der Paketadressaten auf seinem elektronischen Lesegerät unterschrieben. Damit sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts keine unechte Urkunde hergestellt worden,weil das digitale Dokument nicht auf einem Material dauerhaft verkörpert sei, solange es nur im Speicher oder auf dem Bildschirm existiere. Auch wenn es ausgedruckt würde, läge lediglich eine Kopie vor. (OLG Köln,01.10.2013, 1 RVs 191/13)

Bestreiten des Tatvorwurfs darf nicht Grund für die Versagung der Strafaussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung sein

Nach Ansicht des OLG Hamm ist das Prozess-und Verteidigungsverhalten eines Angeklagten nur im Ausnahmefall geeignet, eine sonst nicht auszuschließende günstige Sozialprognose zu verneinen. Auch wenn ein Angeklagter den Tatvorwurf hartnäckig bestreite und es ihm an Unrechtseinsicht fehle, dürfe aus diesem Grund allein nicht die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung verneint werden. Anderenfalls würde das Verteidigungsrecht eines Angeklagten ausgehöhlt.( OLG Hamm, 30.07.13, 5 RVs 59/13)

Überlassen der Wohnung-strafbare Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln

Das Landgericht Essen hatte eine Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Sie hatte nach den Feststellungen des Gerichts bemerkt, dass ihr Lebensgefährte Kokain konsumierte und auch verkaufte und das Kokain bei ihr in der Wohnung lagerte, wobei er selbst nicht in der Wohnung der Angeklagten lebte, sondern sie lediglich dort besuchte. Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt darin eine strafbare Beihilfehandlung, da die Angeklagte von der Lagerung des Kokains in ihrer Wohnung und dessen Weiterverkauf wusste und damit das Handeltreiben auch aktiv gefördert habe. (BGH 4 StR 300/13, Urteil 19.12.13)

Anwaltliches Mahnschreiben kann strafbare Nötigung sein

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein anwaltliches Mahnschreiben, das bei Nichtzahlung einer Forderung die Erstattung einer Strafanzeige androht, eine strafbare Nötigung darstellt. Im zu entscheidenden Fall hatte der Mandant mit dem Anwalt allerdings vereinbart, dass bei Nichtzahlung weder zivilrechtliche noch strafrechtliche Schritte gegen die zahlungsunwilligen Kunden eingeleitet werden sollten. Diese Vereinbarung hätte beim Rechtsanwalt zumindest Zweifel an der Berechtigung der tatsächlich nicht bestandenen Forderungen wecken müssen. ( BGH 05.09.13, 1 StR 162/13)

Strafzumessung bei besonders schweren Fällen des Landfriedensbruchs und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Bonn wegen fehlerhafter Strafzumessung  aufgehoben. Das Gericht hatte einen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe über sechs Jahren wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. In seiner Strafzumessung hat das Gericht zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er  Repräsentanten des Staates angegriffen und diese ihm keinen Anlass für die Angriffe gegeben hätten. Das war rechtsfehlerhaft., da bereits der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eine gegen einen Amtsträger der Bundesrepublik gerichtete Handlung voraussetzt, so dass hier ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vorliegt. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei richtiger Anwendung der Strafzumessungskriterien zu einer geringeren Strafe gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben. ( BGH 2 StR 119/13, Urteil vom 9.10.13)