Archive for the ‘Strafrecht’ Category
Nachweis von Betäubungsmitteln-ESA-Schnelltest genügt nicht
Die Feststellung, dass es sich bei sichergestellten Substanzen um Betäubungsmittel handelt, darf nicht allein auf das Ergebnis eines ESA-Schnelltests gestützt werden, da es sich nicht um ein in der Praxis als zuverlässig anerkanntes Standardtestverfahren handelt. Es ist zur Feststellung ein Sachverständiger hinzuzuziehen.( OLG Celle, 25.06.14, 32 Ss 94/14)
Verständigung im Strafverfahren- Angeklagter muss vor seiner Zustimmung über Voraussetzungen und Folgen belehrt werden
Das Verfassungsgericht hat ein Revisionsurteil des Bundesgerichtshofes aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Zunächst hatte das Landgericht Berlin den Beschwerdeführer wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dem Urteil ging eine Verständigung voraus. Die Strafkammer stellte in Aussicht, eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und sechs Monaten zu verhängen, wenn der Angeklagte u.a. ein glaubhaftes Geständnis ablege. Erst nach Zustimmung des Beschwerdefürers, seines Verteidgers und der Staatsanwaltschaft wurde der Beschwerdeführer vom Gericht über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dessen in Aussicht gestelltem Ergebnis belehrt. Danach hat der Beschwerdeführer ein Geständnis abgelegt. Die Belehrung erst nach seiner Zustimmung hatte der Beschwerdeführer mit der Revision gerügt.Der Bundesgerichtshof hat die Revision verworfen. Das Verfassungsgericht sieht in der verspäteten Belehrung einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires, rechtstaatliches Verfahren und gegen die Selbstbelastungsfreiheit. Ein Beschuldigter muss frei von Zwang über seine Mitwirkung im Strafverfahren entscheiden können. Eine Verständigung ist aber nur dann mir den Grundsätzen eines fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Beschuldigte vor ihrem Zustandekommen über deren eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. (Bundesverfassungsgericht,26.08.14, 2 BvR2048/13)
Auslieferungshindernis Strafandrohung
Ein mit europäischem Haftbefehl gesuchter Italiener wurde auf Ersuchen britischer Behörden in Berlin vorläufig festgenommen. Die Briten hatten auch die Auslieferung des Mannes beantragt.Den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung für zulässig zu erklären, hat des Kammergericht durch Beschluss zurückgestellt. Die Auslieferung ist per Gesetz unzulässig, wenn die einem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist und eine Überprüfung der Vollstreckung nicht spätestens nach zwanzig Jahren erfolgt. Eine verbindliche Erklärung der britischen Behörden zum Überprüfungszeitpunkt liege aber nicht vor.(KG Beschluss 4.4.14, (4)151AuslA199/13(300/13)
Trunkenheitsfahrt mit fahrlässiger Tötung- Freiheitsstrafe ohne Bewährung
Ein weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich vor der Tat in Erscheinung getretener Angeklagter überfuhr mit mehr als 2Promille Alkohol im Blut und einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h innerorts einen 48-jährigen Radfahrer, der kurz nach dem Unfall verstarb. Die Schuld am Unfall lag allein beim Angeklagten, der die Tat gestanden und bereut hat. Der Getötete war verheiratet und Vater dreier Kinder. Der Angeklagte war zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten vurteilt worden. Das zuständige Landgericht hatte es abgeleht, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung auszusetzen. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten blieb ohne Erfolg. Wegen der herausragend schweren Tatfolgen, der Alkoholisierung des Angeklagten weit über die absolute Fahruntüchtigkeit hinaus und der aggressiven Fahrweise ist die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach Ansicht des OLG Hamm zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. ( OLG Hamm 26.08.14, 3 RVs 55/14)
Landgericht Berlin verhängt Haftstrafen im „Easy Abi GmbH“ Verfahren
Viele Berliner Abiturienten waren die Leidtragenden. Bereits bezahlte und geplante Abiturbälle und-reisen konnten infolge der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nicht stattfinden, dessen Geschäftszweck die Organisation davon war. Jetzt hat eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zum Teil nicht bewährungsfähige Freiheitsstrafen wegen Betruges, Untreue und Bankrott gegen die „Akteure“ verhängt. (LG Berlin,514 8/12, Urteil vom 27.08.14)
Kein Widerruf einer Bewährung trotz neuer Taten
Das OLG Hamm hat entschieden, dass eine zunächst zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe nicht alleine mit der Begründung der Begehung neuer und einschlägiger Straftaten begründet werden darf. Die Begehung neuer Straftaten stehen einer positiven Sozialprognose,d.h. der Erwartung, dass der Verurteilte in Zukunft ein straffreies Leben führen wird, nicht zwingend entgegen. Vielmehr erfordere es einer genauen Prüfung .( OLG Hamm, 2 Ws 68/14, 30.04.14)
Der Nachweis eines Sozialbetruges erfordert eine genaue Berechnung des Schadens
Nach Ansicht des OLG Dresden muss ein Strafgericht bei einer Verurteilung wegen Sozialbetruges den Anspruch, welcher einem Angeklagten nach den für die Leistungsbewilligung geltenden Sozialvorschriften berechtigt zusteht, den tatsächlich erhaltenen Unterstützungszahlungen gegenüberstellen. Darüberhinaus seien nicht alle fortlaufenden Sozialbetrügereien gleich als gewerbsmäßig und damit als wesentlich strenger zu bestrafen anzusehen. ( OLG Dresden, 25.04.14, 2 OLG 24 Ss 778/13)
Verurteilung eines Substitutionsarztes wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Deggendorf bestätigt, das einen Arzt wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln in 125 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt und ein Berufsverbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochen hat. Der Angeklagte hatte als Arzt Patienten die Substitutionsmittel Methadon und Levomethadon im Rahmen von „Take-Home-Verordnungen“ verschrieben, was den Patienten ermöglicht hat, die Mittel für maximal eine Woche in der Apotheke zu beziehen und ohne ärztliche Kontrolle einzunehmen. Der Angeklagte nahm dabei nach Ansicht des Gerichts billigend in Kauf, dass die Patienten das Ihnen verschriebene Methadon nicht bestimmungsgemäß verwendeten.( BGH 28.01.14, 1 StR 494/13)
Kein vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis nach fehlender Belehrung
Nach einer bei der Polizei von einem Zeugen angezeigten Trunkenheitsfahrt hat die Polizei den von ihr ermittelteten Halter in dessen Wohnung aufgesucht und ihn gefragt, ob er mit dem vom Zeugen angegebenen Fahrzeug zu der vom Zeugen angegebenen Zeit gefahren wäre. Der Beschuldigte bejahte beides. Eine vorherige Belehrung über sein Schweigerecht als möglicher Beschuldigter erfolgte nicht. Das zuständige Amtsgericht entzog daraufhin durch Beschluss vorläufig die Fahrerlaubnis des Beschuldigten. Auf den Einwand der Unverwertbarkeit der vor der Polizei ohne Belehrung abgegebenen Erkärungen, hat das zuständige OLG den Beschluss über die vorläufige Entziehung wieder aufgehoben. ( OLG Nürnberg, 2 Ss 113,13, 04.07.13)
Bei der Bemessung einer Geldstrafe ist eine bestehende Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen
Ein Angeklagter wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Bei der festzusetzenden Tagessatzhöhe war sein Nettoeinkommen und der monatliche Unterhalt an seine beiden Kinder zu berücksichtigen. Nicht berücksichtigt hat das Gericht, dass der Angeklagte mit seiner nicht erwerbstätigen Lebensgefährtin zusammenlebt. Das war rechtsfehlerhaft. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes bestimmt sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Dabei ist auch zu bedenken, ob eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuches vorliegt, der Täter also faktisch dem Lebensgefährten Unterhalt schuldet. Für diesen Fall ist dies zu berücksichtigen, da die Geldstrafe die Belastbarkeitsgrenze des Verurteilten weder überschreiten darf noch dazu führen soll, dass seine Einsatzfähigkeit und sein Wille, seinen Verpflichtungen in der Gesellschaft nachzukommen, gebrochen werden.( KG 7.3.2014; 122 Ss 14/14)