Archive for the ‘Strafrecht’ Category

Informationen aus der Praxis: Was bedeutet Therapie statt Strafe

Im Betäubungsmittelstrafrecht gibt es für therapiewillige, drogenabhängige Verurteilte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Strafvollstreckung im Gefängnis durch eine therapeutische Behandlung zu ersetzen. Dazu ist erforderlich, dass die Straftat im Zusammenhang mit einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden ist. Die noch zu verbüßende Strafe darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Behandlung muss in einer anerkannten Einrichtung stattfinden und entweder bereits begonnen haben oder aber deren Beginn feststehen. Ferner muss die Kostenübernahme durch den Kostenträger gewährleistet sein. Falls diese Voraussetzungen vorliegen, muss ein entsprechender Antrag bei der Staatsanwaltschaft oder bei jugendlichen Verurteilten beim Jugendrichter gestellt werden.

Diebstahl einer Sache im Wert von 48.-EUR nicht mehr geringwertig

Der Diebstahl geringwertiger Sachen wird grundsätzlich nur auf Antrag des Eigentümers verfolgt oder wenn die Strafverfolgungsbehörden einen Wiederholungstäter vor sich haben. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat jetzt entschieden, dass eine Sache im Wert von 47,98.-EUR nicht mehr als geringwertig angesehen werden kann. Selbst unter Berücksichtigung der Geldentwertung und der Entwicklung der verfügbaren Einkommen ziehen die Gerichte die Obergrenze bei ca.30.-EUR. ( OLG Oldenburg, 02.12.14-1Ss261/14)

Hooligan-Gruppen können kriminelle Vereinigung sein

Im zugrunde liegenden Fall waren die Angeklagten Mitglieder und Rädelsführer einer in Dresden ansässigen Gruppierung von Hooligans, die mit anderen Hooligans rund um Fußballspiele von Dynamo Dresden Kämpfe ausgefochten hat, die meist zuvor verabredet waren. Weil die Gruppierung gerade auch auf die Ausübung von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit, wie jetzt der Bundesgerichtshof bestätigt hat, in der Begehung strafbarer gefährlicher Körperverletzungen und war deshalb als kriminelle Vereinigung zu werten. (BGH 22.01.2015-3StR233/14)

 

Unverhältnismäßige Durchsuchung von Kanzleiräumen

Im zugrundeliegenden Fall hatte das Amtsgericht München die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei eines Verteidigers angeordnet ohne sich mit der Problematik der Durchsuchung bei Berufsgeheimnisträgern auseinanderzusetzen. Auf die Beschwerde des Betroffenen gab das Landgericht dem Amtsgericht Recht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Instanzgerichte deshalb schwer gerügt. Die Anordnung der Durchsuchung von Kanzleiräumen des Strafverteidigers eines Angeklagten ist unverhältnismäßig, wenn voraussichtlich auch Erkenntnisse zu erwarten sind, über die ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Darüberhinaus bringe eine Durchsuchung bei einem Berufsgeheimnisträger immer die Gefahr mit sich, dass auch Daten von anderen Mandanten eines Rechtsanwaltes zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Anwaltes gerade als sicher wähnen dürfen. (BVerfG, Beschluss 06.11.14-2BvR 2928/10)

Verwertungsverbot eines Geständnisses

Im zu entscheidenden Fall hatte eine Beschuldigte vor Beginn ihrer polizeilichen Vernehmung mindestens 38 Stunden nicht geschlafen und war davor nachweislich einer extremen psychischen und physischen Belastung ausgesetzt. Einer immer wieder durch die Polizei konfrontativ geführten Befragung  konnte die Beschuldigte wegen ihres Erschöpfungszustandes nicht mehr in freier Willensbetätigung standhalten. Das in diesem Zustand von der Beschuldigten schließlich abgegebene Geständnis hätte das Tatgericht nicht verwerten dürfen. ( BGH 5 StR 296/14, 21.10.2014)

Durchsuchung bei einer nicht verdächtigen Person

Durchsuchungen bei Unverdächtigen sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Der erforderliche gerichtliche Durchsuchungsbeschluss muss aber enthalten, warum beweisrelevante Unterlagen eines Verdächtigen bei einem unverdächtigen Dritten zu finden sein sollen und er muss die gesuchten Gegenstände zweifelsfrei beschreiben. ( LG Koblenz 27.10.14, 4 Qs 66/14)

Freiheitsstrafe bei Diebstahl mit Bagatellschaden zulässig

Das Oberlandesgericht Hamm hatte über eine Revision zu entscheiden, der ein Diebstahl einer Wodkaflasche von 4,99.-EUR zugrunde lag. Im konkreten Fall hielt das Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche für zulässig ohne die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Der Angeklagte war mehrfach einschlägig vorbestraft und gegen ihn waren bereits mehrere Geldstrafen und Freiheitsstrafen zur Bewährung verhängt worden. (OLG Hamm 21.10.14, 1 RVs 82/14)

Bezeichnung einer Polizeibeamtin als“crazy“nicht zwingend Beleidigung

Nach Auffassung des OLG München hatte die Aussage eines Angeklagten gegenüber einer Polizeibeamtin „you are complete crazy“ im konkreten Fall keinen beleidigenden Charakter. Der Angeklagte hatte nach dem Konsum von sechs Whisky eine Auseinandersetzung mit einem Wirt über die Höhe der Rechnung. Der rief die Polizei. Eine der dann eintreffenden Polizeibeamtinnen brauchte sehr lange, um die Personalien des später Angeklagten zu überprüfen und bezichtigte ihn auch der Lüge, woraufhin der vorgenannte Ausspruch fiel. Das OLG stellte klar, dass es das Recht eines jeden Bürgers sei, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch scharf zu kritisieren. Eine strafbare Beleidigung liege erst vor, wenn die Person geschmäht werden soll und nicht die Handlung. Das OLG hob deshalb das zuvor vom Amtsgericht gefällte Urteil, das den Angeklagten zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, auf.

Auch ein Gehilfe muss Bandenmitglied sein

Das Landgericht Frankfurt hatte einen Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl verurteilt. Es hatte im Urteil ausgeführt, dass der Angeklagte um die bandenmäßige Begehungsweise der ausführenden Täter wusste und es ihm bewusst war, einer in Deutschland agierenden festen Tätergruppierung behilflich zu sein. Das genügte nicht, den Angeklagten wie geschehen zu verurteilen. Dafür wäre die Feststellung erforderlich gewesen, dass der Angeklagte Mitglied der Bande war. War der Angeklagte nicht Mitglied der Bande, hätte er nur wegen Beihilfe am Grunddelikt, d.h. am Einbruchdiebstahl verurteilt werden. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts deshalb aufgehoben. ( BGH 6.8.14, 2 StR 60/14)

angebliche Vergewaltigung einer Lehrerin – langjährige Freiheitsstrafe

Die Angeklagte hatte einen Kollegen wahrheitswidrig beschuldigt, sie im Jahr 2001 vergewaltigt zu haben. Der Lehrer wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die er vollständig verbüßt hat. Erst in einem späteren Wiederaufnahmeverfahren wurde er schließlich 2011 freigesprochen. Nach seiner Entlassung war er auf Sozialleistungen angewiesen und verstarb frühzeitig im Sommer 2012. Der Bundesgerichtshof hat jetzt das Urteil des Landgerichts Darmstadt bestätigt, das die Lehrerin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft verurteilt hat. ( BGH 22.10.14, 2 StR 62/14)