Archive for the ‘Strafrecht’ Category
Fortschritt: Länder wollen Schmerzpatienten Zugang zu Cannabis erleichtern
Der Bundesrat hat die Bundesregierung gebeten, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, das Schmerz-und Palliativpatienten den Zugang zu Cannabis-Extrakt und Cannabis-Blüten als verschreibungspflichtige Betäubungsmittel ermöglichen soll.(BR-Drs.135/15)
Ausweitung der Strafbarkeit von Menschenhandel
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, wonach künftig der Straftatbestand des Menschenhandels auch erfüllt sein soll, wenn die Opfer ins Land gebracht werden, um strafbare Handlungen zu begehen oder zu betteln. Auch wer Menschen ins Land bringt, um ihnen Organe zu entnehmen, soll sich künftig des Menschenhandels strafbar machen. Bislang war lediglich Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung oder zur Ausbeutung der Arbeitskraft strafbar. (BT-Drs.18/4613)
Strafaussetzung zur Bewährung im Sexualstrafrecht
Der Bundesgerichtshof hat wieder ein Urteil aufgehoben, in dem einem u.a. wegen sexueller Nötigung verurteilten Angeklagten wegen rechtsfehlerhaften Umgangs mit der Prüfung einer positiven Sozialprognose die Aussetzung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung versagt worden ist. Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Stendal dem bestreitenden Angeklagten vorgeworfen, seine “ Neigung“ zu sexuellen Übergriffen auf Mädchen im Kindesalter nicht aufgearbeitet zu haben. Das Gericht hat es versäumt zu prüfen, inwieweit durch die Erteilung von Therapieweisungen eine günstige Kriminalprognose hätte geschaffen werden können. Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung im Sexualstrafrecht bestimmt einige Regeln im Umgang mit der Möglichkeit, verhängte Freiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen. So ist nicht die sichere Gewähr vonnöten, dass der Angeklagte zukünftig ein straffreies Leben führt. Es gibt grundsätzlich auch keine Deliktsgruppe, bei der die Strafaussetzung in jedem Fall zu versagen wäre. Auch eine Tat in einer laufenden Bewährungszeit schließt eine erneute Strafaussetzung nicht zwingend aus. ( vgl BGH Beschluss 13.01.2015, 4 StR 445/14)
Suizidgefahr von Strafgefangenen-nicht alles ist erlaubt
Auch wenn ein begründeter Verdacht auf Eigengefährdung eines Gefangenen vorliegt, sind die Justizvollzugsanstalten verpflichtet, bei angeordneten Sicherungsmaßnahmen dessen Persönlichkeitsrecht zu wahren. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt entschieden, dass die Wegnahme der Kleidung eines Gefangenen als besondere Sicherungsmaßnahme unverhältnismäßig ist und gegen dessen Grundrechte verstößt. Ein Gefangener hat demnach Anspruch auf Ersatzkleidung aus schnell reißendem Material, um in einem dauerüberwachten Haftraum ein Mindestmaß an Intimssphäre zu wahren und den Gefangenen nicht zum bloßen Objekt des Strafvollzuges zu degradieren. (Beschluss BVerfG 18.03.15, 2 BvR 111/13)
Gesetzesänderung im Sexualstrafrecht
Ausgelöst insbesondere durch die Edathy-Affäre hat der Gesetzgeber den Tatbestand der Verbreitung, des Erwerbes und des Besitzes kinderpornographischer Schriften geändert, § 184b StGB. Das Gesetz stellt jetzt auch die „Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung“ und „die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes“ unter Strafe. Zudem hat sich die Strafrahmengrenze von zwei auf drei Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Neu geschaffen hat der Gesetzgeber § 201 a StGB, der die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen unter Strafe stellt.
Flucht vor der Polizei ist nicht als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar
Auch wenn durch die Flucht eines Angeklagten vor der Polizei Dritte gefährdet oder gar unvorsätzlich verletzt werden, bleibt die Flucht an sich straflos. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte liegt nur dann vor, wenn ein Angeklagter eine aktive Tätigkeit mit Nötigungscharakter entfaltet und damit eine Vollstreckungsmaßnahme verhindern oder erschweren möchte. Die Gewalt muss gegen den Amtsträger gerichtet oder zumindest körperlich für ihn spürbar sein. (vgl. BGH Beschluss 15.01.2015, 2 StR 204/14)
Drogenhändler muss Geld aus Scheinkauf zurückerstatten
Ein Scheinkäufer hat bei einem Dealer 45 kg Cannabisharz für ca. 50000.-EUR gekauft. Das Ziel der Ermittler , an die Hintermänner zu gelangen, blieb erfolglos. Jetzt muss der strafrechtlich bereits verurteilte Drogenhändler das Geld an das Land zurückzahlen. Das Gericht führte aus, Scheinkäufe seien sittlich nicht zu beanstanden und ein legitimes Mittel der Prävention und Strafverfolgung.Es spielte auch keine Rolle, dass der Drogenhändler angegeben hatte, er habe lediglich als Bote für die Hintermänner gehandelt und das Geld nur kurze Zeit in Besitz gehabt. (KG 27 U 112/14, 12.02.2015)
Entziehung der Fahrerlaubnis bei Unfallflucht
Der Strafrichter verhängt bei einer festgestellten Unfallflucht nicht nur eine Geldstrafe und verhängt gegebenenfalls ein Fahrverbot, sondern er entzieht die Fahrerlaubnis, wenn am Fahrzeug des Unfallgegners ein bedeutender Schaden entstanden ist. Die Grenze zieht die Rechtsprechung derzeit bei 1300.-EUR, wobei nur solche Schadenspositionen herangezogen werden dürfen, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind. (OLG Hamm 5 RVs 98/14)
Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten und das Recht der Öffentlichkeit auf Information
Immer wieder sehen sich Beschuldigte mit einer breiten Berichterstattung ihres Falles in den Medien konfrontiert. Die möglicherweise gravierenden Folgen für das weitere Leben sind bekannt. Was soll und darf in diesem Zusammenhang die Staatsanwaltschaft, in deren Händen das Ermittlungsverfahren liegt? In den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren gibt es eine Regelung. Danach darf eine Unterrichtung von Presse und Rundfunk weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen. Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren darf nicht beeinträchtigt werden. Die Staatsanwaltschaft muss zudem in jedem Einzelfall prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter überwiegt. Eine Bloßstellung ist zu vermeiden. Über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage darf die Öffentlichkeit erst unterrichtet werden, nachdem die Anklage dem Beschuldigten zugestellt worden ist. ( RiStBV Nr.23)
Aus der Praxis: Angeklagte mit Diagnose pathologisches Stehlen in Verbindung mit depressiver Störung nur vermindert schuldfähig
Das Amtsgericht Tiergarten hat eine bereits mehrfach wegen Diebstahls einschlägig vorbestrafte Angeklagte ohne gerichtlich beauftragte Begutachtung lediglich als vermindert schuldfähig angesehen und die Strafe entsprechend gemildert. Voraussetzung dafür waren die Vorlage der psychiatrisch festgestellten Diagnosen sowie ein ausführlicher Therapiebericht. Im Ergebnis sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Angeklagte wegen ihrer Erkrankungen bei Begehung der ihr vorgeworfenen Tat in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen ist. (Urteil AG Tiergarten vom 30.01.15)